Hintergrund: Acht Monate Sperre für einen Spieler, der dem Schiedsrichter ein Leibchen auf den Kopf gelegt hat – dieses Urteil hatte für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Nachdem der TuS Stetten Einspruch eingelegt hat, ist die Strafe nun halbiert worden. Trotzdem sollen Aktionen gegen Unparteiische in Zukunft stärker geahndet werden.
STETTEN. Markus Hengstenberg, Vorsitzender des TuS Stetten, und Trainer Lars Igel sind erleichtert. Statt acht Monaten Strafe für einen Spieler aus ihrem Verein, sind es nur noch viereinhalb. Dem Einspruch wurde stattgegeben. Wichtig war es ihnen, klarzustellen, dass es sich nicht um eine Tätlichkeit handelte. Das ist dem TuS Stetten, der somit Spieler und auch den Vereinsnamen schützen konnte, gelungen.
Durch die Auseinandersetzung mit dem Fall haben sich die beiden auch über das Strafmaß im Allgemeinen, das auch beim Südwestdeutschen Fußballverband (SWFV) gerade ein großes Thema ist, viele Gedanken gemacht.
Das ist beim Spiel passiert: Das Halbfinale bei einem Hallenturnier in Gau-Odernheim war gerade abgepfiffen worden. Die Spielgemeinschaft SG Stetten/Gauersheim haderte jedoch mit einigen Schiedsrichterentscheidungen. „Es gab Diskussionen um das Zeitanhalten beim Spiel“, erinnert sich Igel, der beim Turnier vor Ort war. „In diesem Zuge hat der Schiedsrichter sich von unserem Spieler abgewandt. Der hat dann – unüberlegt – ihm das Auswechselleibchen auf den Kopf gelegt und ist dann weggelaufen.“ Der Unparteiische gab dem Spieler daraufhin sofort die Rote Karte. „Darüber ist nicht zu diskutieren, dass man in dieser Situation Rot ziehen muss“, sagt Igel, dem gleich klar war, dass das noch eine Strafe nach sich ziehen würde. „Uns war aber nicht klar, dass dies so ein Ausmaß annehmen würde.“ Hengstenberg unterstreicht noch einmal: „Es gab keine Beleidigungen, vorher nicht und auch nach der Aktion nicht. Der Spieler hat die Karte akzeptiert und ist sofort weitergegangen.“
Das erste Urteil: Was dann kam, damit hätte wohl niemand gerechnet. Die Gebietsspruchkammer Rheinhessen wertete die Aktion des Fußballers als Tätlichkeit und gab dem Stettener Spieler eine achtmonatige Sperre. „Die Gerüchteküche vorher hat ja schon gekocht“, berichtet Hengstenberg. „Im Zuge mit dem Vorfall in Rüssingen wurde schon gemunkelt, dass hier wohl eine größere Strafe auf den Spieler zukommt.“ Als das Urteil kurz vor Silvester eintraf, war die Überraschung beim Verein dennoch groß. Dem TuS war aber sofort wichtig, Einspruch einzulegen, um klarzustellen, dass es sich nicht um eine Tätlichkeit gegenüber dem Schiedsrichter gehandelt hatte. „Das war schon eine immense Sache. Der Schiedsrichter hat weder physischen noch psychischen Schaden davongetragen. Und unser Spieler war davor auch noch nie auffällig. Dem wollten wir uns widersetzen“, erklärt Hengstenberg. Er fand es schade, dass beim ersten Urteil nur aufgrund der schriftlichen Stellungnahmen entschieden wurde. „Eine Tätlichkeit gegenüber dem Schiri ist ein großer Vorwurf. Da würde ich den Verein und den Spieler, also die Verantwortlichen, definitiv antreten lassen. Die können ja trotzdem auf die acht Monate kommen, aber die Leute sollten damit konfrontiert werden.“ Auch für die betroffenen Spieler wäre das eventuell unangenehm, sich einem Verbandsgericht zu stellen, das könne im Vorfeld abschrecken.
Das zweite Urteil: Das war bei der zweiten Verhandlung dann anders. Hengstenberg, Igel, der betroffene Spieler und auch der Schiedsrichter kamen vor dem Verbandsgericht zusammen. „Das war eine angenehme Runde“, berichtet Hengstenberg. „Es wurde über alles noch einmal gesprochen, unser Spieler hat sich entschuldigt, die Entschuldigung wurde vom Schiedsrichter akzeptiert und die beiden haben sich die Hand gegeben.“ Und Igel ergänzt: „Die Verhandlung an dem Abend war sehr fair, der Richter sehr human. Da waren wir echt froh. Wir haben klar gemacht, dass sich die Aktion von unserem Spieler nicht gehört, aber dass es keine Tätlichkeit, sondern eine Unsportlichkeit war.“
Und tatsächlich nahm die Gebietsspruchkammer ihr erstes Urteil zurück und verminderte es auf viereinhalb Monate Sperre. Für den TuS Stetten ist der Spieler damit „nur“ sechs Spiele gesperrt, da gerade noch Winterpause ist. „Der Spieler ist schon enttäuscht gewesen“, berichtet Igel, weil er auch im Futsal-Bereich sehr aktiv sei. „Wir waren aber mit der halbierten Strafe relativ froh.“
Das sagt der Schiedsrichter: „In der ersten Sekunde war ich völlig perplex“, erinnert sich der Schiedsrichter aus dem Donnersbergkreis, der das Halbfinale in Gau-Odernheim gepfiffen hatte, an die Situation. Sowas hatte er zuvor noch nicht erlebt – und das, obwohl er in seinem elften Jahr als Unparteiischer aktiv ist. Ihm war schnell klar, dass er dafür die Rote Karte geben muss, aber der vollen Tragweite ist er sich erst später bewusst geworden. „Das hat mich schon ein Stück weit lächerlich gemacht. Wenn mir das im ersten Spiel passiert wäre, hätte ich nicht mehr weiter pfeifen müssen, weil mich keiner mehr Ernst genommen hätte.“ Trotzdem war er überrascht, als er von dem ersten Urteil, der achtmonatigem Sperre, hörte. Das sollte wohl als abschreckendes Beispiel dienen, schätzt er ein. Deswegen empfand er es auch als faires Zeichen, dass die Strafe in der zweiten Verhandlung deutlich herabgesetzt wurde. Mit dem Spieler hat er sich nicht nur vor Gericht ausgesprochen, auch danach sei der Stettener noch einmal auf ihn zugekommen, habe sich für die unüberlegte Aktion entschuldigt. „Das ist auch total ehrlich gewesen.“
SWFV: Härtere Strafen – Udo Schöneberger, Vorsitzender der Region Kaiserslautern-Donnersberg für den SWFV, kann es grundsätzlich nicht befürworten, dass Spieler gegen die Schiedsrichter vorgehen. Aufgrund der Vorfälle in letzter Zeit hat der SWFV beschlossen, dass Vorgänge gegen den Schiedsrichter, egal welcher Art, in Zukunft nicht mehr vom Staffelleiter, sondern direkt von der Gebietsspruchkammer behandelt werden. Damit erhöhen sich die Strafen automatisch. Das soll nun auch in Infoveranstaltungen an die Vereine herangetragen werden. Der TuS Stetten steht dem eher skeptisch gegenüber. Igel: „Wenn alles, was gegen den Schiri geht, als Tätlichkeit gewertet wird, und auch nicht berücksichtigt wird, ob der Spieler davor schon mal auffällig war, oder eben nicht, finde ich das den falschen Weg.“ Und Hengstenberg wirft ein: „Für den Schiedsrichter ist das vielleicht auch nicht einfach, dass er weiß, wenn er die Rote Karte zeigt, ist der Spieler gleich für mehrere Monate gesperrt.“
Donnersberger Rundschau vom 07.02.2020 / von Lea Ochsner